Wie angedroht, hier mal meine Gedanken dazu, wie ich ein neues Spiel machen würde. Auch wenn ich das derzeit nicht plane, mache ich mir ja so meine Gedanken. Ich lese kein Buch, ohne irgendwo im Hinterkopf zu haben "wie sähe das in Eressea aus?", und ich lese glaube ich verhältnismäßig viel mit historischem Hintergrund.
Es kommen in so einer Diskussion immer zwei Sorten von Vorschlägen. Erstens Regelmechanismen, die (auf der Mikro-Ebene) einen Aspekt des Spieles ändern wollen. Mehr oder weniger Silber für ARBEITE, die Einführung von Nahrung, Moral, leichteres Eisen, etc. Zweitens (und leider seltener) Änderungen am grundlegenden (Makro) Character des Spieles: Wie soll eine Partei im "Endgame" aussehen, wie leicht soll es sein, eine Insel gegen eine Invasion zu verteidigen, soll in jeder Region eine Zitadelle stehen, wie viel Zeit soll der wöchentliche Zug dauern, wie geht man mit Großbündnissen um, etc.
Letzteres finde ich die spannendere Diskussion, und wenn es nach mir ginge, würden wir darüber als erstes reden, und dann die Regeln danach auswählen, ob sie das gewünschte Design unterstützen oder nicht. Bei E3 hat so eine klare Vision eher gefehlt, und wir haben an den Regeln gedreht, in der Hoffnung, dass sich etwas interessantes ergibt, aber am Ende ist doch wieder im großen und ganzen das gleiche Spiel dabei herausgekommen; auch wenn man keine Alchemie hat, und der Handel anders abläuft, hat das auf die Form des Spieles kaum Einfluss. Man baut immer noch eine Burg in jede Region, und so viele Armeen, wie man mit den evtl. etwas weniger reichlich vorhandenen Ressourcen ausstatten kann.
Wie stelle ich mit Eressea vor? Alex Schröder hat glaube ich mal von Atlantis als einer "zur Blüte gereiften Antike" gesprochen, und eher an Griechen und Römer gedacht. Speerkämpfer und so. Schiffe, die nach Troja segeln. Wir haben uns das in Eressea nicht zu Herzen genommen, und da Drachen und Orks und die ganze Fantasy-Menagerie mit hinein geworfen, so dass die meisten Spieler sicher an eine Welt wie aus Game of Thrones oder LOTR denken (Mittelalter plus Magie). In beiden Fällen klappt das nur oberflächlich, finde ich.
Was beide Szenarien, ob nun Antike oder Mittelalter, gemeinsam haben, ist dass die Gesellschaft total gespalten war, zwischen dem Adel, der das Land besessen und die Politik gemacht hat, und dem einfachen Volk, das geschuftet hat, damit alle genug zu essen haben. Stehende Armeen hat sich lange niemand leisten können, die Kriege der Antike sind fast alle mit Milizen oder Söldnern geführt worden. Die Legionären der Römer sind die Ausnahme, die dazu geführt hat, dass Rom zur Weltmacht wurde. In Eressea hat jedes noch so kleine Volk eine Armee. Die einzigen Berufssoldaten waren meist bis spät in die Neuzeit nur Offiziere, die entweder aus dem reichen Adel kamen, oder für Söhne reicher Bürger eine Möglichkeit boten, über ihren von Geburt aus geringeren Rang hinaus in diese Führungskreise vor zu dringen. Soldaten sind also eher Einzelpersonen, nicht Tausender-Legionen.
Die Besiedlung war auch anders. Städte sind in der Antike eine Seltenheit, und Machtzentren. In Eressea ist jede Region eine Stadt. Wie stellt sich der Spieler eigentlich eine Region vor? Wenn eine Wüste groß genug ist, und reich genug, um eine Zitadelle zu unterhalten? Die meisten Leute haben traditionell auf dem Lande gelebt, in kleinen Farmen, die nur wenig mehr als selbstversorgend waren. Die Leute die da leben haben keine "Talente", können in der Regel weder lesen noch schreiben, und de facto gehören sie ihren adeligen Herrschaften, ob sie nun Sklaven, Heloten, oder Leibeigene sind.
Hunger war ein stetiges Problem. Das ist er in Eressea nicht, wenn man mal von der selten auftretenden Pest absieht. Nahrung konnte man nicht endlos lagern, so wie das Regionssilber in Eressea, und eine schlechte Ernte war eine Katastrophe. Auch strategisch hat Versorgung eine viel wichtigere Rolle gespielt, als sie das in Eressea tut. Noch ein Grund, warum Belagerungen in Eressea undenkbar sind, obwohl historisch ein fester Bestandteil der Kriegsführung.
Wenn ich dieses Bild der Welt auf Eressea anwende, dann heißt das: Weniger Gebäude, in strategischen Regionen. Mehr Regionen, die einfach nur von "Bauern" bewirtschaftet werden, und nur indirekt von Spielern (z.B. über Steuern und Rekrutierung). Weniger Ressourcen pro Region, kleinere Abstände zwischen den Regionen, d.h. größere Reise-Distanzen. Weniger Personen pro Partei, wir spielen nur die "wichtigen" Personen, die Landbesitzer und militärischen Anführer. Das kann man mit weniger Einheiten hinbekommen, und mit einfacheren Regeln, als wir sie jetzt haben. Wenn ich keine Heere von 10.000 Personen habe, die alle Speerkampf T7 können, dann brauche ich auch nicht mit Talentverwässerung zu rechnen.
Ich würde wahrscheinlich bei einem Spiel ankommen, wo alle Einheiten einzelne Personen sind (mit Talenten oder Spezialfertigkeiten), die eine Menge von "Bauern" kommandieren, deren Effektivität durch ihren Kommandant bestimmt ist, und die evtl. noch ein paar Spezialisierungen haben könnten (Handwerker, Seefahrer, Soldat, Elitesoldat), die sie durch Erfahrung bekommen. So eine Armee von einfachen Leuten kann man bei Bedarf einfach aus seinen kontrollierten Ländereien rekrutieren, was sich auf die Einnahmen und Produktion auswirkt, und evtl. Sold kostet, bis man sie wieder zurück in ihre Heimat schickt. Nur die talentierten Helden/Offiziere/Meister Einheiten behält man die ganze Zeit, die haben einen Namen, und man braucht (hoffentlich) nicht mehr als 50 von denen. Da sind wir dann bei der Mikro-Ebene von Regeln, die entweder Anpassungen von existierenden Systemen sind, oder ganz neue.
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